Es war ihr großer langjähriger Traum gewesen. Als Ergotherapeutin wollte Sabine Hauser-Lettenbauer, heute 47 Jahre alt, Patienten helfen, ihre Alltagstätigkeiten besser bewältigen zu können. Mitten in der Ausbildung erlitt sie jedoch einen Zusammenbruch. Eine schwere Depression zog ihr den Boden unter den Füßen weg. Sie musste die Ausbildung abbrechen. Auch wenn Hauser-Lettenbauer heute nicht als Ergotherapeutin arbeitet, ihren Wunsch, anderen Menschen zu helfen, hat sie sich erfüllt. Sie arbeitet als Ex-In-Genesungsbegleiterin in der Tagesstätte für seelische Gesundheit der Caritas in Zusmarshausen im westlichen Landkreis Augsburg.
Von Montag bis Freitag gehen täglich zehn bis 15 Frauen und Männer dorthin. Psychische Belastungsstörungen, Ängste, Depressionen, suizidale Gedanken, Kontaktstörungen und Kontakt-ängste, Überlastungssymptome wegen dauerhaften Nervenschmerzes prägen ihren Alltag. Hauser-Lettenbauer teilt und gestaltet mit ihnen den Tagesablauf in der Tagesstätte. Sie beteiligt sich an kunsttherapeutischen Angeboten und sie setzt sich beim gemeinsamen Mittagessen dazu. Sie taucht ein in die vielen Gesprächsrunden, in denen die Klienten der Tagesstätte sich öffnen und sich trauen, darüber zu sprechen, wie es ihnen tief in ihrer Seele wirklich geht. Wenn Hauser-Lettenbauer dann sagt, „das kenne ich, das habe ich auch erlebt”, wissen die anderen, dass sie sich durch eigene Erfahrung in manche Dinge besser einfinden kann.
„Sie war von Beginn an ein vollwertiges Mitglied im Team und bringt den Blickwinkel aus Sicht einer Betroffenen ein. Deshalb sind wir dankbar, dass sie zu unserem Team gehört”, will die Leiterin der Tagesstätte, Susanne Grüßhaber, Hauser-Letttenbauer nicht mehr missen.
Der Weg zu ihrer Festanstellung bei der Caritas war nicht einfach. Der neue Beruf als Ex-In-Genesungsbegleiterin fiel ihr nicht in den Schoß. „Ich wollte arbeiten und gab meinen Traum im psychosozialen Bereich zu arbeiten nicht auf.” Im Internet hatte sie einen Hinweis auf die Qualifizierung zur Ex-In-Genesungsbegleiterin entdeckt. „Anfänglich hatte ich nur ein sehr diffuses Bild davon.” Die Akademie der Bezirkskliniken eröffneten ihr dann mit einem Info-Abend den Weg zu ihrem künftigen Arbeitsfeld.
Es begann für sie ein spannender Ausbildungsprozess. Der erste Schritt war die Bewerbung mit ihrem persönlichen Krisen-Lebenslauf, wie von der Akademie gefordert. Nichts musste sie verschweigen. Das wollte sie auch nicht.
Sie hatte im Bezirkskrankenhaus endlich erfahren, woran sie leidet. Die Diagnose lautete: doppelte Depression. Sie leidet an einer chronischen depressiven Erkrankung, zu der immer wieder eine akute depressive Episode hinzukommen kann. Diese Diagnose bildete die Hintergrundfolie ihrer neuen Ausbildung. In jeder Schulungseinheit musste sie sich immer wieder damit auseinandersetzen.
Die Ausbildung mit insgesamt elf Schwerpunkten war für sie Selbsterfahrung und diente so ihrer Selbsterforschung. „Sehr viele Gruppenarbeiten” hätten ihren Blick auf andere geweitet: „Vom Ich zum Du zum Wir”, so das Konzept der Ausbildung. „Ich habe meine Erfahrung, ich teile sie mit dem Du und durch das Teilen untereinander kommen neue Erfahrungen hinzu, die neues Wissen schaffen. So lernen wir und so erlernen wir, wie wir andere begleiten, unterstützen und selbst aktiv werden können, wenn andere in eine Krise geraten”, beschreibt Hauser-Lettenbauer.
Die zwölfmonatige Ausbildung endete mit einer Abschlusspräsentation über den gesamten Ausbildungsprozess. Sie beinhaltete auch eine Vision, wie Hauser-Lettenbauer zukünftig arbeiten will. Für sie stand das Ziel klar vor Augen. An ihrer neuen Arbeitsstelle in der Tagesstätte für seelische Gesundheit der Caritas in Zusmarshausen hat sie einen Ort gefunden, an dem sie ihre Vorstellung von „beseelter Begleitung” umsetzen kann.